Zurück zu: | Recht | Leitseite | |
§§ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc.
erteilen wegen Einrichtung der Kreistage in Unserm Königreiche Preußen in Gemäßheit des §. 58 Unseres Gesetzes vom 1sten Juli 1823., nachdem Wir zuvor die Vorschläge Unserer dortigen getreuen Provinzialstände vernommen haben, folgende Vorschriften:
§. 1. Die Kreisversammlungen haben den Zweck, die Kreisverwaltung des Landraths in Kommunalangelegenheiten zu begleiten und zu unterstützen. Diese Verwaltung innerhalb der bestehenden Gesetzgebung, macht den Gegenstand ihrere Berathungen und Beschlüsse aus.
§. 2. Die bestehenden landräthlichen Kreise bilden die Bezirke der Kreisstände.
§. 3. Die Kreisstände vertreten die Kreiskorporation in allen, den ganzen Kreis betreffenden Kommunalangelegenheiten, ohne Rücksprache mit den einzelnen Kommunen oder Individuen. Sie haben Namens derselben verbindende Erklärungen abzugeben. Sie haben Staatsprästationen, welche Kreisweise aufzubringen sind und deren Aufbringung durch das Gesetz nicht auf eine bestimmte Art vorgeschrieben ist, zu repartieren.
Bei allen Abgaben, Leistungen und Naturaldiensten zu den Kreisbedürfnissen, sollen sie zuvor mit ihrem Gutachten gehört werden, auch von allen Geldern, welche dahin verwendet, sollen ihnen die Rechnungen jährlich zur Abnahme vorgelegt werden, und wo eine ständische Verwaltung der Kreis-Kommunalangelegenheiten statt findet, verbleibt den Kreisständen das Recht, die Beamten dazu zu wählen.
§. 4. Die kreisständische Versammlung besteht:
A) aus den Rittergutsbesitzern des Kreises und den nach dem Gesetze vom 1sten Juli 1823. § 7. 2. mit dem Stande der Ritterschaft auf dem Provinziallandtage vertretenen Grundeigenthümern, und zwar
a) aus allen qualifizierten Besitzern eines in der Matrikel aufzunehmenden Gutes persönlich;
b) aus den nicht qualifizierten Besitzern durch Vertretung
B) aus Deputierten der Städte.
Zu diesen erwählen
a) die mit Virilstimmen versehenen Städte doppelt so viel Abgeordnete, als sie zum Provinziallandtage absenden;
b) Jede zu einer Alternativ- oder Kollektivstimme gehörige Stadt einen Abgeordneten.
C) aus den Repräsentanten der Landgemeinden, und zwar
1) aus den persönlich erscheinenden Besitzern solcher Cöllmischen Güter, welche mehr als sechs Cöllmische Hufen enthalten, jedoch nicht zum Erscheinen in der Ritterschaft qualifiziren;
2) aus drei Deputierten der nicht zum Cöllmerstande gehörigen oder kleine Cöllmergüter besitzenden Mitglieder der Landgemeinden.
§. 5. Vertretungen sind den unter 4. A. bezeichneten Gutsbesitzern gestattet und zwar:
a) unmündigen Gutsbesitzern durch ihren Vater oder Vormund;
b) Ehefrauen durch ihre Ehegatten;
c) unverheiratheten Besitzerinnen;
d) allen qualifizirten Besitzern, insoweit sie gehindert sind, persönlich zu erscheinen.
Die Vertreter müssen jederzeit selbst zu diesem Stande gehören und die Bedingungen des §. 6 ihnen nicht entgegen stehen. Auch ist es gestattet, einen anderen beim Kreistage erscheinenden Gutsbitzer zu Abgabe der Stimme beonders zu bevollmächtigen.
Wir wollen auch der ganzen Ritterschaft des Kreises gestatten, sich, wenn die Mehrheit derselben es wünscht, durch eine aus ihrer Mitte zu erwählende Deputation auf den Kreistagen vertretn zu lassen.
§. 6. Zur persönlichen Ausübung des Stimmrechts auf den Kreistagen ist bei allen Ständen und gestatteten Vertretern erforderlich:
a) die Gemeindschaft mit einer der christlichen Kirchen;
b) die Vollendung des 24sten Lebensjahres;
c) unbescholtener Ruf.
Wo dieser Ruf von der Versammlung bestritten wird, ist auf den Bericht des Oberpräsidenten von unserm Staatsministerium zu entscheiden.
§. 7. Rittergutsbesitzer, geistliche oder milde Stiftungen, so wie Städte, welche mehr als ein Rittergut im Kreise besitzen, sind jederzeit nur zur Führung einer Stimme berechtigt.
§. 8. Städte, welche als solche die Berechtigung haben, auf dem Kreistag durch einen Abgeordneten zu erscheinen, und sich im Besitz eines Ritterguts befinden, sind ebenfalls nur zur Führung einer Stimme berechtigt.
Wenn sie aber noch in einem anderen Kreise Rittergüter besitzen, beschicken sie auch die dortigen ständischen Versammlungen.
§. 9. Die städtischen Abgeordneten zu den Kreistagen müssen aus jetzigen oder ehemaligen Mitgliedern des Magistrats oder der Stadtverordnetenversammlung gewählt werden.
§. 10. Die Abgeordneten der Landgemeinden können nur aus Mitgliedern des Cöllmerstandes oder aus wirklich im Dienste befindlichen Schulzen oder Dorfrichtern gewählt werden, welche wenigstens das zur Qualifikation eines bäuerlichen Abgeordneten zum Provinzial-Landtage erforderliche Grundeigenthum besitzen.
§. 11. Für einen jeden Abgeordneten des 2ten und 3ten Standes wird ein Stellvertreter gewählt, welcher gleichfalls die §§. 6., 9., 10. bestimmten Eigenschaften haben muß.
§. 12. In den Städten erwählt der Magistrat den Kreisabgeordneten.
§. 13. Bei der Wahl der drei Abgeordneten und Stellvertreter der Landgemeinden, wird wie bei der Wahl der Bezirkswähler verfahren. Ein jeder Landrath hat Behufs dieser Wahlen seinen Kreis in drei Bezirke einzutheilen, in deren jedem ein Deputirter und ein Stellvertreter zu wählen ist.
§. 14. Die Wahlen der Landgemeinden stehen unter der Aufsicht des Landraths.
§. 15. Die Wahl der Deputirten der Städte und Landgemeinden erfolgt auf sechs Jahreso daß von drei zu drei Jahren die Hälfte das erste Mal nach dem Loose ausscheidet.
§. 16. Der Landrath, oder wenn derselbe behindert ist, der älteste Kreisdeputirte, beruft die Stände zum Kreistage, führt daselbst, wenn Rechte von Familien- oder geistlichen Stiftungen nicht eine entgegen stehende Observanz begründen, den Vorsitz, leitet die Geschäfte und ist verpflichtet, die Ordnung in den Berathungen zu erhalten. Wenn seine Erinnerungen kein Gehör finden, ist er befugt, die ordnungsstörenden Mitglieder von der Versammlung auszuschließen, jedoch hat er darüber sofort an den Oberpräsidenten der Provinz zur weiteren Verfügung zu berichten.
§. 17. Der Landrath ist verpflichtet, alljährlich wenigstens einen Kreistag anzusetzen; außerdem aber ist er hierzu berechtigt, so oft als er es den Bedürfnissen der Geschäfte für angemessen hält. Er hat der ihm vorgesetzten Regierung von einem jeden anzusetzenden Kreistage Anzeige zu machen
§. 18. So lange Kommunalgegenstände früherer Kreisverbände abzuwickeln sind, ist die Vereinigung mehrerer Kreise, oder der Theile verschiedener Kreise, zu diesem Zwecke gestattet. Gegenstände, welche nur eine Klasse der Stände treffen, können auf besondern Konventen dieser Stände verhandelt werden.
§. 19. Die Stände verhandeln auf dem Kreistage gemeinschaftlich. Diue Beschlüsse werden nach einfacher Stimmenmehrheit gefaßt. Der Landrath hat als solcher keine Stimme. Er stimmt mit, wenn er zugleich Kreisstand ist, kann jedoch auch ohne Stimme den Vorsitz führen.
Bei gleichen Stimmen entscheidet die Stimme des Vorsitzenden, und wenn derselbe nichtstimmfähig ist, die Stimme des ältesten Kreisdeputirten.
Er hat der ihm vorgesetzten Regierung diejenigen Kreistagsbeschlüsse zur Bestätigung vorzulegen, durch welche neue Verwaltungsnormen festgesetzt und den Kreiseinsassen neue Verbindlichkeiten auferlegt werden sollen. Die innerhalb der festgesetzten Grundsätze wegen Fortführung der laufenden Verwaltung gefaßten Beschlüsse, bedürfen der Bestätigung der Regierung nicht. Der Landrath hat pflichtgemäß zu ermessen, in welchen Fällen er nach diesen Grundsätzen vor der Ausführung der Bestätigung der Regierung bedürfe, oder ohne dieselbe zur Ausschreitung schreiten könne.
§. 20. Findet ein ganzer Stand durch einen Kreistagsbeschluß in seinen Interessen sich verletzt, so steht ihm, mittles Einreichung eines Separat-Voti, der Rekurs an diejenige Behörde statt, von welcher die betreffende Angelegenheit ressortirt.
Bei Zusammenberufung der Kreisstände hat der Landrath in der Kurrende die zu verhandelnden Gegenstände anzugeben.
Die Erscheinenden sind dann befugt, einen Beschluß zu fassen, und durch solchen die Außenbleibenden wie die Abwesenden zu verbinden.
§. 21. Der Landrath führt die Beschlüsse der Kreisstände aus, insofern die Regierung nicht eine andere Behörde mit der Ausführung ausdrücklich beauftragt, oder die Sache als ständische Kommunalangelegenheit nicht besonders gewählten Beamten übertragen ist.
§. 22. Der Oberpräsident der Provinz hat die zu dem Zusammentritt der Kreisstände nach vorstehenden Vorschriften erforderlichen Verfügungen ungesäumt zu veranlassen, und hören mit deren Wirksamkeit die durch das Gensd’armerie-Edikt vom 30sten Juli 1812 angeordneten Kreisverwaltungen da, wo sie eingeführt worden, auf.
Gegeben Berlin, den 17ten März 1828.
(L. S.) Friedrich Wilhelm.
Friedrich Wilhelm, Kronprinz.
Freiherr v. Altenstein v. Schuckmann Graf v. Lottum
Graf v. Bernstorff v. Hake Graf v. Danckelmamm v. Motz
§§ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22
Zurück zu: | Recht | Leitseite | |
Copyright für
Territoriale Veränderungen in Deutschland und deutsch verwalteten Gebieten 1874 – 1945:
Rolf Jehke, Herdecke.
Zuletzt geändert am 1. 12. 2014.